Ich habe viele Talente, und eins davon ist: Ich kann extrem gut Ferien machen. Nicht, dass Sie das jetzt falsch verstehen. Ich meine nicht, dass ich extrem gut im Strandstuhl-
Liegen bin, im sogenannten Ausschlafen oder dass ich «Glace», «Danke» und «Guten Tag» in verschiedenen Sprachen sagen kann. Nein, ich kann gut meine Tage selbst strukturieren
und dabei sogar produktiv sein. Meine Ideen scheinen keine Grenzen zu kennen, und dann setze ich die Ideen auch leichten Fusses um. Einfach so. Ohne dass mir jemand sagt, was und wo ich wann abgeben muss. Fantastischer Zustand. Ich stehe mit einem Lächeln im Kopf und Gold im Mund, ohne Wecker und trotzdem früh auf und mache mich fröhlich an meine Werke.
Sogar meine Gedanken sind voller «Ohwieschöns». Auch Menschen scheinen in dieser Zeit viel netter zu sein – sogar Schweizer im Tram oder im Stau. Letzthin hat mir eine Fahrerin im Stau sogar zugelächelt und mit einer Geste angedeutet, dass wir wohl fröhlich ein paar Minuten vom Leben geschenkt bekommen haben, wo wir einfach sind und nichts tun.
Einfach dasitzen, den Himmel betrachten oder überlegen, was das wohl für ein Tier war, das jetzt als dunkler Fleck auf dem Asphalt liegt. Ein Liedchen summend das Leben
geniessen. Und dann dreht sich das Blatt, plötzlich ist wieder alles voller Termine, Abgabedaten und Sprechzeiten. Sogar die Gesundheitstipps in einer Anzeige lese ich als Befehl: Ohne Vitamin C erkältest du dich jetzt sofort! So wie es in meiner Agenda plötzlich eng wird, passiert dasselbe in meinem Kopf. Es wird eng.
Sie kennen bestimmt das Tourette-Syndrom, wo man wegen eines nervlich bedingten Ticks plötzlich wüste Dinge sagen muss, und zwar laut, dass alle Umstehenden schockiert reagieren. Ich habe in ferienfreien Zeiten eben ein ähnliches Syndrom: Ich habe Gedanken-Tourette. Statt «Wir Menschen sind alle eins»-Gedanken kommt dann «Arschloch», ohne dass ich was dagegen machen kann. Es stört meinen atürlichen Gedankenfluss gewaltig, so ein Schimpfwort. Bevor ich zum Beispiel Folgendes zu Ende denken kann – «Was braucht es, dass ein Politiker sich so dermassen von einem Greta-Mädchen provoziert fühlt, dass er einen billigen Witz über sie in Facebook postet. Der arme Mann …» –,
denkt es: «Arschloch!» Nein, ich finde es auch nicht toll. Gott sei Dank passiert das nur in meinem Kopf.