Ich habe gerade zwei unnütze Fliegen auf einmal erledigt: bin müde und habe nichts gemacht. Ausser dass ich ins Grübeln gekommen bin über Doha. Offiziell nennt man das Kreativphase. Es ist enorm wichtig, dass ich als Künstlerin das Nichtstun tue. Jeder Künstler gestaltet das Nichtstun anders. Was dem einen das stundenlange Duschen ist, ist dem anderen das Liegen im Dämmerlicht. Die einen wiederum können nur schreiben, wenn sie vorher exakt eine Stunde gelesen haben, und wieder andere reiben Daumen und Zeigefinger. Die einen können nur im Liegen und andere nur im Stehen. Ich weiss, dass die zwei Fliegen in vier Phasen aufgeteilt sind:
Zuerst kommt die Phase der Präparation: Da weiss der Kreative, was zu entwickeln ist, kennt die sogenannte Problemstellung: ein neues Bühnenprogramm, eine Kolumne, Festival oder Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Doha. In dieser Phase wird Wissen rund um das «Problem» bzw. die «Aufgabe» gesammelt, gejagt und gehortet. Dann die Phase der Inkubation. Jetzt glaubt man, nie eine Lösung für alle Eventualitäten zu finden, und fühlt sich schlecht. Der Kreative befindet sich sozusagen zwischen «Infektion und Ausbruch der Krankheit».
Um diesem Prozess den Lauf zu lassen, entfernt sich der Kreative vom «Problem» und beschäftigt sich bewusst oder unbewusst mit Themen, die rein gar nichts mit der Aufgabenstellung zu tun haben. Und zack sind wir beim stundenlangen Duschen oder beim Putzen der Badezimmerfugen.
Und dann denkt es einfach mal los, beim Schrubben der Fugen: Und ja! Warum nicht mal eine WM in der katarischen Hauptstadt Doha? Im schönen Khalifa International Stadium? Mit Lasershows glamourös inszeniert, auch die Presse-Vorankündigungen klangen vielversprechend:
Ganze Blocks seien schon lange ausverkauft. Zu sehen war das Gegenteil: leere Ränge und atmosphärisch ein einziges Trauerspiel. Aber hey, kein Problem! Sofort wurden Bauarbeiter und Militärs kostenfrei als Zuschauer rekrutiert. Die verliessen jedoch im Laufe des Abends gelangweilt das Stadium.
Die Hitze gepaart mit der hohen Luftfeuchtigkeit setzen den Sportlern enorm zu. Ein Drittel der tapferen Marathonläuferinnen schaffte es gar nicht ins Ziel und musste in Rollstühlen, auf Tragen und in Krankenwagen weggebracht werden. Man lernte daraus, die Männer starteten zu ihrem Marathon dann um Mitternacht.
Die Kakerlaken in den Schlafräumen sorgen für den Rest an Überforderung.
Bis zu einem gewissen Grad konnte ich ja den Gedankenverlauf dieser verwegenen Möglichkeit einer Weltmeisterschaft in der Wüste folgen. Im Stil, mal was anderes! Starre Gedankenmuster und Geschäftsmodelle durchbrechen. Nur fehlt da die letzte Phase, die jeder Kreative durchlaufen muss: Nach der Illumination, dem grandiosen Geistesblitz, folgt zwingend die Phase der Überprüfung der Machbarkeit. Für grosse Erfindungen, Glanzstücke und Kunstwerke muss es zuerst verwegen, wild und chaotisch sein. Aber dann kommt die Frage aller Fragen: Ist es machbar?
Man munkelt, dass da die letzten drei, vier Phasen durch einen Trick, das schlichte Reiben zwischen Daumen und Zeigefinger, ersetzt wurden. In drei Jahren findet eben da die Fussball- WM statt. Bin ja gespannt, ob sie diesen Trick wieder anwenden.