Kennt ihr die Geschichte vom armen Fischer, der mit seinem Kollegen, dem Manager, fischen ging? Frühmorgens gingen sie mit dem Boot raus aufs grosse, offene Meer. Kaum hatte der Fischer drei Fische gefischt, holte er die Angel rein und machte es sich auf dem Boot gemütlich, genoss das Meer, das Salz auf seiner Haut und die Sonne.
Der Manager traute seinen Augen nicht und meinte: «Willst du nicht noch mehr Fische fangen?» «Wozu?», meinte der Fischer verträumt, «die reichen für unser Abendessen.» «Dann kannst du die übrigen Fische verkaufen.» «Wozu», die Gegenfrage des Fischers. «Dann kannst du Arbeiter anstellen, eine Fabrik bauen und hast enorm viel Geld.» Der Fischer blickte ihn verdutzt an und meinte zum wiederholten Male: «Wozu?» «Ja! Mensch! Dann kannst du andere arbeiten lassen, hast viel Geld und dann, ja dann kannst du dich endlich ausruhen. Der Fischer antwortet: «Das ist doch genau das, was ich jetzt bereits mache.»
Unsere leistungsorientierte Konsumgesellschaft verlangt nach «höher, schneller, weiter» und nimmt dafür einiges in Kauf. Und wenns fast nicht mehr höher geht, hängen wir ein «Da-geht-noch-was» an. Nicht nur die Nahrungsmittel-Industrie behilft sich mit «Da-geht-noch-was»-Mitteln. Das Essen soll billiger, reifer und runder sein. Und am Ende wissen wir nicht mehr, was zum Teufel wir da essen.
Es ist ja nicht nur die Nahrungsindustrie, die so im Wettbewerbs– Hamsterrad rennt. Nein, es ist in allen Bereichen so. Die Stadt ist voll von Kleider-Ketten-Shops und von Systemgastronomie. Auch in der Kunst herrscht eine «Da-geht-noch-was»- Mentalität: Beim Supertalent haut es den Bohlen nur noch aus den Socken, wenn die Geigerin den Mozart rückwärts spielt und gerade eben erst drei Jahre alt geworden ist oder wenn die Oma für ihr Alter einen nicht perfekten, aber beachtenswerten Salto auf dem Barren gemacht hat. Am Ende wissen die Zuschauer nicht mehr, was zum Teufel sie sich da eigentlich anschauen.
Valentina, die am Zukunftstag im Radio mitlaufen und zum Teil moderieren durfte, gefragt nach ihrer Zukunft, antwortet: «Ich will berühmt werden.» «Will sie», dachte ich, «soso…» Berufsziel: berühmt. Diese Berufsrichtung ist mir nicht nur neu, sondern klingt abstrus. Ich kann die Stellung in der Gesellschaft als Berufsziel haben? Dann ist das Berufsziel Mitläufer oder Aussenseiter wählbar? Irgendwann später erwähnt sie, dass sie tanzt und singt. Ein Nebensatz. Hier zählt nicht Leidenschaft und unbedingter Wille, sich künstlerisch auszudrücken. Die Kunst hat doch zum Ziel, die Dinge zwischen den Zeilen auszudrücken, zu gestalten und zu erzählen. Dinge, bei denen man eben keine Worte mehr findet.
Da, wo es zum Mysterium wird, da, wo Worte in Stille gleiten und getanzt werden müssen, da, wo Scham die Worte vernebelt und es darum gesungen werden muss. Da wo Ungeborenes in einem schlummert und gezwungenermassen ins Buch, in den Marmor oder auf Leinwand muss. Und dieses Mädchen sagt so ganz ohne die in ihrem Alter zu erwartende träumerische und naive Art: «Berühmt. » Als ob Leidenschaft alleine nicht mehr zur Daseinsberechtigung reicht. Wenn das so weitergeht, erspare ich mir meine leidenschaftliche Kreativität und übe stattdessen schon mal am Barren für später, denn das Berühmtwerden mit «Mozart-Rückwärts» habe ich leider verpasst.