Klimajugend! Ja die unterrichtsfreien Zeiten gaben viel zu reden – wie auch ihr Vorbild Greta. Ob bloss Marketing¬vater-gepusht und finanziert bei der einen oder einfach und schlicht geschwänzte Stunden bei den anderen – es ist ein zentrales Thema, und daraus resultiert dann eben das zweitplatzierte Wort: Flugscham. Inzwischen kann man die Scham etwas dämpfen, indem man teureren und ökologisch abbaubaren Treibstoff kauft.
Wo und in welchem Flugzeug und auf welcher Flugstrecke dann das Prepaidbenzin landet, ist nicht genau vorhersagbar, und darum schämt man sich dann locker weiter. Denn aus logistischen Gründen landet es eben zumeist nicht in dem Flugzeug, das man beschämenderweise grad benutzt, sondern vielleicht in einem, wo Leute drinsitzen, die sich kein bisschen schämen und noch immer nach Lust und Laune drauflosfliegen. Das sind übrigens zugleich auch diejenigen, welche noch immer ausgelassen-fröhlich bei der Landung applaudieren. Während die anderen sich leise in ihren Sitzen In Unschuld üben.
Man kann auch pro Flugmeile einen Baum pflanzen lassen, und der wird nachweisbar auch gepflanzt. Es entsteht dann irgendwo, wo das Nichts war, ein sogenannter Schamwald. Ich würde sagen: Die Jugend hats drauf!
Spannend ist das damit einhergehende Kippen des Wertesystems: Was früher Ansehen bescherte, ist heute so was von untendurch. Leute, die für einen Espresso nach «Weisswo» oder für eine Sitzung nach «haumichtot» flogen, galten als chic und kosmopolitisch angesagt. Wer heute zur 2-Uhr-Sitzung so nebenbei um die Welt fliegen muss, um am selben Abend wieder am heimischen Tisch das Abendessen einzunehmen, sagt es deutlich leiser und flucht ob dieser Umstände. In diesem Zusammenhang gehört Fluchen zum guten Ton.
Chic ist, wer die Ferien wandernd verbringt oder ganz unbewegt auf dem Balkon. Dem Ruf der Klima-jugend wird demnach Folge geleistet. Und das freut mich umso mehr, als man generell für Jugend sonst nicht viel übrig hat, denn das sind angeblich jene, die im Tram rumfläzen, statt anständig aufzustehen, jene, die überall an Wänden Schmierereien hinterlassen, und jene, die an Konzerten in der Schweizer Natur unbedacht Berge von Müll hinterlassen. Meiner Erfahrung durch die Arbeit und durch Begegnungen mit Jugendlichen ent¬spricht dieses Negativbild nicht. Im Gegenteil, weil ihr Verhalten noch so offen ist, noch nicht gestutzt durch Dos and Don’ts der Gesellschaft.
Und so bin ich jedes Jahr neugierig auf das Jugendwort des Jahres, welches wie das Wort des Jahres, traditionsgemäss seit 2008 in diesen Tagen gekürt wird. Junge Menschen starren nämlich nicht nur in Bildschirme, sie erfinden auch extrem Inspirierende Wörter, auf die ich mich jedes Jahr wie Rumpelstilz freue. Weil sie witzig sind, Frische ausstrahlen und im Zeitgeschehen stehen.
So muss ich noch immer schmunzeln ob des Begriffs Gammetfleischparty aus dem Jahr 2008, welcher eine «Ü-zu-alt-Party» bezeichnet. Es ist treffend und witzig gesagt und nimmt Aktuelles wie den Gammelfleischskandal auf. Oder das Wort aus
dem Jahr 2010, Niveaulimbo, das Umstände bezeichnet, deren Niveau beständig sinkt.
Wie gross war da die Enttäuschung, dass Langenscheidt dieses Jahr kein Wort gekürt hat. Ausgerechnet! im Jahr der Klimajugend kein Jugendwort! Ich hoffe, dass sich bald ein anderer Anbieter um die Wahl kümmert, um die spannenden Erzeugnisse der Jugend zu küren. Denn so stehen die Jungen auch etwas einseitig da: Freitag freimachen, um zu streiken für eine gute Sache. Das ist kein bisschen lustig.
Inzwischen gehe ich «merkeln» und werde dabei voll «fly sein».