Ich bin so vollgegessen – immer das Gleiche, jedes Jahr – und immer schwör ich, dass es diesmal anders sein wird … Und jetzt wieder – ich will nichts mehr essen und das nicht nur heute, nein, ich will die ganze Woche nicht mehr. Und ich nehme mich bei diesen Gedanken sogar ernst – Steinbein!
Bei anderen Gedanken lächelt es in einem Winkel und sagt: «Jaja … rede du nur.» Aber diesmal lächelts nirgends! Wirklich – ich will anderes tun, viel tun, aber eben nicht essen. Auf keinen Fall will ich das! Ist ja auch wirklich idiotisch, immer diese Leier mit Essen müssen. Möchte auch die Esswaren nicht sehen – einfach Lichtnahrung! Ja! Das ist es!
In diesen Momenten glaube ich sogar, dass das mit der Lichtnahrung klappt. Klar! Ein bisschen Licht und schon ist man voll. Wie ich grad jetzt. Ich stell mir das vor und weiss jetzt einfach, dass es funktioniert. Für mich ist das mit dem Essen Geschichte! Und nur so kann ich mir meinen vollgestopften Bauch verzeihen. Ich weiss nicht, wohin mit mir, und denke – du, wenn ich schon dran bin, mir Dinge vorzunehmen, warum denn nicht überhaupt gute Vorsätze fürs neue Jahr? Jetzt ist es einfach etwas blöd, dass ich mich schon im Laufe des Jahres optimiert habe. Etwas unspektakulär, finde ich jetzt. Ich hätte doch warten können mit «Endlich Nichtraucher». Nicht eines Tages aufstehen und am Morgen beim ersten Kaffee beschliessen: «So! Das wars! Die übrig gebliebenen Schachteln aus der Stange werden verschenkt.» Und das ohne Vorwarnung oder mindestens Gedanken vor dem Zubettgehen. Einfach zack! Aus-die-Bohne.
Ich muss sagen, ich war selber ein wenig überrascht ob der Stringenz. Noch überraschter war ich, dass sie bis dato anhält! So wichtige Einschnitte in meinem Leben begleite ich üblicherweise gerne mit Drama. Indem ich beispielsweise zweimal im Tag Freundinnen anrufe und dramatisch erkläre, dass es nicht mehr geht zwischen mir und den Zigaretten. Dass ich es schon lange mit mir herumtrage, die Trennung, aber nicht den richtigen Moment finde. Und das dann wochenlang zum Dauerthema machen. Nach drei Wochen lamentieren, und weil ich mit allen gängigen Methoden versagt habe; ernsthaft erwägen, mittels eines Hypnosetherapeuten die Trennung schrittweise herbeizuführen.
Vielleicht hilft es, wenn man einander noch anständig dankt für die gemeinsamen Jahre, für all die überstandenen Krisen, aber auch für die schönen Momente, die man gemeinsam erlebt hat. Im Stil: «Weisst du noch, wie du die Zigarette danach warst und beinahe das Bett in Flammen … Weisst du noch, wie du meine erste warst und mir so speiübel wurde, dass ich …
Weisst du, am Anfang unserer Beziehung war das Geniessen mit dir einfach umwerfend! Das Glas Wein nach einem wunderbaren Menü und dann du! Oder ein aufregendes, schönes Gespräch und du! Oder einfach Pause, nichts tun und nichts reden und du! Aber je länger unsere Beziehung dauerte, desto öfter trat der Genuss in den Hintergrund, es war nur noch ein Müssen. Ein Stress. Noch schnell bevor das Tram kommt. Oder bevor man in eine Nichtraucher-Party eintaucht … Stress. Und dann diese Abhängigkeit. Ohne dich ging ich ja nirgends mehr hin!»
Und dann dramatisch sagen, dass es besser für beide ist, man geht von nun an separate Wege. Dann die dramatische Trennung und nein, du darfst alles mitnehmen, will nichts mehr von dir. Nein, auch nicht die zu erwartenden Extra-Pfunde. Und nein, Freunde können wir auch nicht bleiben. Ich brauche Abgrenzung bis zur Ablehnung. Ich werde sogar deinen Geruch hassen müssen. Das alles habe ich eben ausgelassen und einfach aufgehört. An einem ganz normalen Morgen war es. An einem Dienstag oder Mittwoch. Und jetzt habe ich nichts mehr für den Jahreswechsel. Alle Welt macht gute Vorsätze und ich mache so wichtige Dinge – einfach, ohne Klimbim, unter dem Jahr.
Und das mit der Lichtnahrung wird nicht klappen. Denn der volle Bauch war gestern. Jetzt habe ich tatsächlich wieder Hunger.