Ich wollte in der Migros Rimuss einkaufen. Nicht für einen Kindergeburtstag, sondern für mich ganz alleine! Weil ich dieses Getränk so unglaublich mag, weil es so schön prickelt in meinem Bauchnabel.
Bierwerbung-Scherz beiseite: Ich fand die besagten Flaschen nicht. Landauf und landab keine einzige Verkäuferin oder Verkäufer. Ausser den Angestellten hinter den diversen Theken und der Lautsprecherstimme keine Hilfe in Sicht. Ich schlenderte also etwas verloren herum und beobachtete eine Mutter mit ihrem Kind im Einkaufswagen. «Nei Urs-Pascal, mir tüend jetzt Pommes-Chips nid essä. Mir mached diä deheimä in es Schäleli. Urs-Pascal! Tuesch du jetzt anesitzä!!! Neiiiii, nid uf d Pommes-Chips sitzä! Jetzt lahsch du die Chips in Rueh! Wenn de so wiiter machsch, kriegsch deheimä kei Schoggi me!»….
Das Geschrei des Kindes Urs-Pascal glich meiner wachsenden Ungeduld. Endlich kamen mir zwei tiefenentspannte und locker plaudernde Verkäuferinnen entgegen. Strahlend, und das Geschrei von Urs-Pascal war in weite Ferne gerückt, ging ich den beiden Frauen entgegen und stellte meine Frage: «Guten Tag. Können Sie mir sagen, wo ich Migros-Rimuss finde?» Und während ich fragte, schaute ich einer der beiden Frauen erwartungsfroh in die Augen. Nur widerwillig unterbrachen die beiden ihre Unterhaltung.
Und das eben noch tiefenentspannte Gesicht meiner auserwählten Antwortgeberin verzog sich, als würde sie wie eben gerade Urs-Pascal losbrüllen wollen. «Ich weiss es nicht», kam es gepresst, «ich bin von der Haushaltsabteilung! »
Das wars. Keine weitere Hilfestellung. Kein «Moment, ich frage nach» oder so. Ganz im Gegenteil. Sie wollten ihr Gespräch und ihre eingeschlagene Route einfach fortsetzen. Wagemutig schnitt ich ihnen den Weg ab, indem ich mich vor ihnen aufbaute. Ich wusste, wenn ich jetzt die Gelegenheit nicht beim Schopf packe, konnten wieder Minuten vergehen, bevor ich so etwas wie freilaufende Mitarbeiter ausfindig machen kann. «Wissen Sie denn, wen ich fragen kann?» Ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht exakt definieren. So zwischen Ekel und gerade Einschlafenwollen zeigte sie lahm auf ihre Kollegin: «Sie ist von der Getränkeabteilung. Fragen Sie sie.»
Also jetzt hatte mein Hirn einen kleinen Kurzschluss. Moment. Die besagte Expertin war doch während meiner Frage anwesend. Warum hat sie nicht geantwortet. Oder, warum hat sich die eine nicht einfach an ihre Kollegin gerichtet und schnell gefragt… und warum … Und ich musste tatsächlich meine Frage nochmals wiederholen einfach mit dem Unterschied, dass mein Blick gefühlte zehn Zentimeter nach links auf die andere Anwesende gerichtet war.
Von da an ging es wie am Schnürchen. Die paar Meter zum Regal gerast, Flasche gezeigt, ich in den Korb gestellt. Oben an den Kassen die Schlange vermieden und selbst gescannt. Ich kam mir ab da sehr effizient vor. Karte oder Bargeld. Und schwupps, war ich draussen an der frischen Luft.
Und da erst fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Da erst löste sich mein Brett vor dem Kopf. Bis jetzt ging ich davon aus, dass ich Kundin bin mit einem angeborenen Recht auf Hilfe und Auskunft und Rat. Dieses Gesetz ist zwar noch immer gültig. Aber! Jetzt kommts! Ich bin, beziehungsweise wir alle sind eben nicht mehr einfache Kund/-innen, sondern zu Mitarbeitern mutiert.
Ab da, wo wir unser Gemüse selber wägen und etikettieren mussten, aber spätestens ab da, wo wir unsere Einkäufe scannten und Kassiererinnen spielen mussten, wurden wir zu Mitarbeitern. Und jetzt verstehe ich auch den Blick der Verkäuferinnen, äh, Kolleginnen: «Die Einarbeitungszeit ist längst vorbei! Wie lange noch, sollen wir dich anleiten, gopf! Wenn du so weitermachst, können wir uns dich hier wirklich nicht mehr leisten.»
Ich hätte schwören können, dass ich ab da Urs-Pascal wieder schreien hörte.